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Republica 2013 So scheiterte die Aufforderung zum Bloggen – Die Redner versagen

Über meinen ersten Eindruck der Veranstalter und deren ersten Eindruck bei der Eröffnung habe ich hier geschrieben.

Heute schaue ich mir eine Handlungsaufforderung an, die etwas versteckt und doch direkt an die anwesenden Menschen gerichtet war, welche fast alle Blogger sind.

Die Aufforderung: Bloggt über diesen Redner!

 

Folgende Situation liegt vor:

Adriankoto Ratozamanama aus Madagaskar ist nicht wie geplant auf der Republica eingetroffen. Er ist einer der Sprecher und er sitzt im Abschiebegefängnis in Paris.

Patrick Stegemann beschrieb die Ausgangssituation am 07.05.2013 sehr ausführlich – ich bediene mich hier eines längeren Zitates.

 

„Bereits am Freitag begibt sich Ratozamanana auf den Weg nach Europa, nachts um eins besteigt er seinen Flieger in der Hauptstadt Antananarivo und macht sich auf den Weg nach Paris, von wo er am nächsten Morgen weiter nach Berlin fliegen will.

Er ist guter Dinge: Die re:publica ist nicht seine erste Konferenz in Europa, doch über seine Einladung nach Berlin freut er sich besonders. Am Pariser Flughafen in Paris gibt es plötzlich Probleme: Die Grenzbeamten glauben dem jungen Mann nicht, dass er nur auf der Reise nach Berlin ist, um hier die Konferenz zu besuchen. Sein Visum, bei dem er bereits Einkommensnachweise, Einladungen und Empfehlungsschreiben vorlegen musste, reicht plötzlich nicht mehr aus für die Einreise nach Europa.

Er will einen Internetzugang. Und landet im Gefängnis.
Die Frage, ob er die notwendigen Papiere nicht online vorzeigen dürfe, wird mit der Auskunft verneint, es gäbe hier am Charles-de-Gaulles-Flughafen keinen Internetzugang. „Das muss man sich vorstellen: Da sind wir ja in Afrika weiter, da gibt es zumindest Internetzugänge am Flughafen“, lacht er.

Die Grenzbeamten bringen ihn vom Flughafen an einen anderen Ort; hier, so sagt man ihm, könne er dann Internet bekommen und die Unterlagen nachweisen. Sie bringen ihn – in ein Abschiebegefängnis.“

 

Was machen die Macher der Republica?

Sie gehen das Thema progressiv an und sprechen darüber in Ihren Eröffnungsbeiträgen.

Interessant wird das Video ab der Minute 8:55. Johnny Häusler ergreift das Wort. Er twittere nicht, sondern habe seine Notizen Digital aufbereitet. Dabei lugt er immer wieder auf sein Smartphone und hält seine kleine Ansprache mit digitaler Hilfe.

Es folgt eine recht ordentliche Einleitung und dann der Kommentar, dass Adriankoto Ratozamanama in Paris im Abschiebegefängnis sitz – weil seine Unterlagen nur digital im Netz zur Verfügung ständen.

Es folgt der Aufruf an die Blogger

 

Ab Minute 11 geht es dann um Adriankoto Ratozamanama.

Johnny Häusler spricht: „Trotz alldem Papierkram, den man machen muss, sitzt er in Abschiebehaft“ „Wir hoffen, dass wir das dann noch an die große Glocke hängen können.“

Hier folgt der indirekte Aufruf an die anwesenden Blogger doch darüber zu schreiben und die Aufmerksamkeit auf den Fall zu lenken. Sozialer Druck sollte aufgebaut werden.

 

Dann folgt ein Rednerwechsel

„Tja, Hallo, ich bin Markus. Ich habe mir etwas ausgedruckt. Das Problem des Madagaskaner, der in Abschiebehaft sitzt, ist, dass er seine Hotelbestätigung nicht ausgedruckt hatte. Diese durfte er ja nicht zeigen.

Sicherheitshalber – habe ich mir etwas ausgedruckt, falls das mit dem Handy nicht so funktioniert.“

Das Problem:

Neben der problematischen Wortwahl, sind der zynische Unterton und der triumphierende Blick und die Gestik absolute K.O. Tropfen.

Wenn selbst der Partner auf der Bühne so vorgeführt wird, welcher Blogger begibt sich dann noch auf Glatteis und schreibt über diesen Fall.

Das Verhalten von Markus Beckedahl zerstört jegliche Motivation über diesen Fall zu berichten, schreiben oder anderweitig zu bloggen.

Ich jedenfalls nicht. Nicht über Adriankoto Ratozamanama, jedoch über das Verhalten von Jonny und Markus.

 

Wie geht es dem Zuhörer in diesem Moment

Wie geht es mir dabei?

„Ja schlimm, aber auch nicht so schlimm, er hätte es ja ausdrucken können.“

 

So oder so ähnlich war mein erster Gedanke. Darüber schreiben werde ich sicherlich nicht.

Allerdings habe ich mich ausführlich über dieses Verhalten und den verschrobenen Versuch auf die Situation zu reagieren aufgeregt, mit anderen Besuchern gesprochen und heute schreibe ich nun doch darüber.

Der Nachgeschmack, das ist ja alles gar nicht so schlimm und irgendwie ist er ja selbst schuld, rufen nicht dazu auf über diesen Vorfall zu schreiben. So groß die Bemühungen seitens der Re:publica waren, den Sprecher wieder ins Boot nach Berlin zu holen, so wenig einladend war ihr Aufruf darüber zu schreiben.

Wie groß war die Glocke?

1.300 Aufrufe findet Google für mich.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat diesen Beitrag aufgegriffen und einige andere.

Zum Vergleich stelle ich eine andere Rednerin der Re:publica: Catherine Barba. Ganz ohne Skandal und ohne dass sie in der Eröffnung genannt wird, findet Google 181.000 Referenzten zu Catherin Barba auf der Republica. Ihr relativ kleiner Vortrag („10 tips to grow your Positive Entrepreneurial Energy“) ohne große Ankündigung animierte wesentlich mehr Menschen über sie zu bloggen.

Rhetorik lebt vom Handlungsaufruf und von Glaubwürdigkeit

Gute Redner wissen, dass eine genaue Handlungsanweisung für die Zuhörer immens wichtig ist. Johnny Häusler hat es wohl geahnt – seine Zurückhaltung, seine Schritte in den Schatten, der abweisende Blick und das kleinlaute Weiterreichen an Markus vernichten den Handlungsaufruf.

Die Glaubwürdigkeit von Johnny Häusler wird nicht nur durch seine Mimik, Gestik und Stimmlage untermeniert, vor allem durch die Gegenrede seines Rede-Partners! Sollten die beiden nicht eher am gleichen Strang ziehen, gemeinsam in die Kerbe hauen und alle anwesenden Blogger dazu aufrufen, um über die Thematik zu schreiben?

Aristoteles sagt, das Glaubwürdigkeit durch drei Dinge gestärkt wird: Erstens Leidenschaft, zweitens Logik und drittens Moral. Die moralische Komponente zerstört Markus durch sein Auftreten und seine non-verbale Kommunikation. Die Leidenschaft Johnny Häusler lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Ein feuriger Befürworteter klingt einfach enthusiastischer.

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Res und Verba – Problematik

 

Die Worte werden der Sache nicht gerecht. Die Worte selbst beschreiben den Sachverhalten recht gut, geben anweisen was erwartet wird. Die gesamte Körpersprache, Mimik und Gestik widersprechen den Worten jedoch. Fast schreien Sie – bloß nicht darüber bloggen.

 

Die Gegenrede war definit erfolgreicher

Ob gewollt oder ungewollt, ob inszeniert oder spontan entstanden – die Situation beschreibt eine klassische Pro- versus Contra-Debatte.

Was der Eine mit Worten aufbaut, reißt der Andere mit der non-verbalen und para-verbalen Kommunikation wieder ein. Mich interessiert, ob das ein abgekartetes Spiel war oder aus der Situation entstanden ist.

Falls die Akteure es aktiv geplant hatten mit Ihrem Telefon und der papierenden Stichpunktliste auf den Fall aufmerksam zu machen, so ist strategisch einiges schief gelaufen.

Dieses Beispiel zeigt deutlich – Worte haben wenig Gewicht. Die Umsetzung der Handlungsaufforderung (schreibt darüber) wurde durch Markus und seiner Mimik, Gestik, Körpersprache und vor allem der Betonung torpediert.

 

Was bleibt?

Ein fahler Nachgeschmack. Ich habe lange überlegt, ob ich über diesen Fall schreibe oder nicht. Dabei geht mir das Schicksal des Gastredners nahe, obwohl ich ihn nicht kenne und auch im Netz auch keine Verbindung zu ihm herstelle.

Der fahle Nachgeschmack bleibt, weil ich sehr von den Redekünsten der Re:publica – bzw. der Menschen, die auf der Re:publica als Redner auftreten enttäuscht bin.

So viele Menschen, gut 5.000 kommen in Berlin zusammen. Geben Geld und Ressourcen aus, viel mehr noch schenken ihre wertvolle Zeit den Rednerinnen und Rednern und alles was bleibt – sind schlechte Reden und Ansprachen.

 

Ist ein Blogger ein Redner?

 

Nein, denn er oder sie bloggen ja!

 

Ja, wenn Blogger als Redner zur Re:publica fahren. In dem Moment werden alle Blogger zum Redner. Dann erwarte ich einen guten Vortrag und klare Handlungsanweisungen. Daher, falls dieser Beitrag von den Machern oder redenden Bloggern gelesen wird, fordere ich alle zukünftigen Redner der nächsten Re:publica auf : Bereitet eure Reden vor und übt Sie. Habt dabei euer Publikum im Auge, konzentriert euch auf ein Thema und liefert Argumente warum wir etwas tun sollen.  Zu guter Letzt – lasst uns wissen, was ihr von uns erwartet.

 

Ich erwarte bessere Reden auf der Re:publica 2014 und Kommentare zu diesem Beitrag.

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Rednermacherin - Judith Torma


Judith Torma blogt seit 2007 hier auf dem Rhetorikblog. Als Tübinger Rhetorikerin unterrichtet sie seit 2003 Jahren Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen. Hier auf dem Blog verschenkt Sie Rhetoriktipps und freut sich über den Dialog mit Ihren Lesern & Hörern.

Your Signature

  1. Hallo, sicherlich ist ein Blogger kein Redner. Zumindest besitzt dieser aber die Möglichkeit, eine Rede schriftlich vorzubereiten. Und mit etwas Übung klappt es dann auch mit der Rede.

  2. Liebe Judith

    Danke für diesen Beitrag. Aber irgendwie dachte ich ein Kommentar meinerseits ist notwendig.

    1. Schade ist, dass Ratozamanana in Paris aufgehalten wurde. Aber auch ich wurde schon einmal in Frankreich fast nicht auf das Flugzeug gelassen nach Dänemark…. mit CH Pass. Die Leute dachten ich sei illegal in Frankreich…

    2. Als Rethorik-Expertin weisst du natürlich die Antwort, Blogger sind nicht unbedingt gute Leute für Vorträge. Aber gute RednerInnen sind ja auch nicht unbedingt gute Blogger oder Schreiberlinge.
    Vielleicht ist das Problem auch wie die Republica RednerInnen aussucht? Vielleicht brauchen die Dich oder mich 🙂 Was denkst du?

    Freundlichst
    Urs
    @CyTRAP

  3. Guten Tag Urs,

    nach meiner Sommerpause folgt meine Antwort.
    Ich bin davon überzeugt, dass die Re:publica Menschen braucht – die Spaß und Freude an der Rede haben. Was ich jedoch bei einigen Auftritten gesehen haben, ließ meine Nackenhaare zu berge stehen. Ich bin mir bewusst, dass mir das Reden um Längen leichter fällt als das Schreiben, dennoch halte ich mich an gewissen Vereinbarungen und mache selten so ganz mein eigenes Ding. Vor allem bereite ich mich vor, wenn ich Blogge. Dass es jedoch Blogger gibt, die als Redner auftreten und sich gar nicht vorbereiten, das auch noch lauthals allen Anwesenden erzählen …. schade … peinlich … vielmehr noch unerwünscht.

    Was jedoch den festgehaltenen Redner angeht – so geht es mir viel weniger um sein Schicksal, als darauf aufmerksam zu machen, wie Menschen, Redner, in diesem Fall – das vielköpfige Erfolgsteam der Re:publica sich selbst sabotierte, um die geballte Kraft der anwesenden Blogger einzusetzen. Vertane Liebesmüh.

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