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Januar 29, 2013

Ist Perfektion erstrebenswert? – Gibt es den perfekten Redner?

Lange habe ich überlegt, zugestimmt, verworfen, abgetan und dann heute doch geschrieben, denn es passt und es muss aus mir heraus!

Ist Perfektion erstrebenswert? – Gibt es den perfekten Redner?

Der >> orator perfectus<< war der Geist meines Studiums. Cicero formte in seinem Buch >>De Oratore<< das Bild eines >> orator perfectus<<.

Viele würden jetzt übersetzen: Der perfekte Redner. Weit gefehlt. Wenn wir vom >> orator perfectus<< sprechen, dann ist der moralisch ethisch gute Redner gemeint. Dabei gilt nicht die Perfektion der Rede, sondern die Vereinbarkeit von Redner und Handlung; vom Redner und seiner geschichtlichen Bezüge.

Vor der #Aufschrei Diskussion stand Peer Steinbrück im Fokus aller Medien. Es wurde darüber diskutiert, ob er als Redner gut oder schlecht ist. Das Magazine >>Wirtschaft + Weiterbildung<< titelte sogar „Polter-Peer“. Als Kanzler-Kandidat soll er „natürlich perfekt“ sein. Alles andere würde das „deutsche Volk“ enttäuschen. In seiner Rede, seiner Wortwahl, seiner Argumentation – in seiner gesamten Außendarstellung muss er perfekt rüber kommen. Kann er oder irgend eine andere Rednerin oder Redner das?

Kein Redner ist perfekt

Peer Steinbrückt ist nicht perfekt. Es ist zu diskutieren, ob er jedoch ein >> orator perfectus<< ist. Dafür müssten wir uns seine älteren Reden ansehen und seine Handlungen damit vergleichen. Ein großes Unterfangen. (Sollte ich hierfür einen Auftrag erhalten, nehme ich diese Aufgabe sehr gerne an)

Ein Redner oder eine Rednerin erscheinen stimmig, überzeugend, glaubwürdig; sie liefern eine runde Sache ab. Überzeugen durch Perfektionismus – das ist ein Mythos, der sich seit der Antike hartnäckig hält.

Kann eine Rede perfekt sein?

Mh, naja vielleicht, manchmal, mit ganz viel Glück und nur in Ausnahmesituationen. NEIN – es gibt keine perfekte Rede. Eine Rede kann und sollte und ist im besten Fall angemessen. Angemessen dem Publikum gegenüber, dem Sachverhalt und natürlich auch dem Redendem.

Bei jeder Rede liefert eine gute Analyse Dinge, Verhaltensweisen, Formulierungen, logische Schlüsse, die hätten anders dargestellt werden können. Ohje, welche Weichmacher wir in diesem Satz finden. Eine Analyse ist eine Analyse und schaut zurück. Die Analyse bietet dann Potential für zukünftige Reden und vielleicht werden diese besser als vorherige. Weil nun Redner, Sachverhalt und Zuhörer eine Einheit bilden und angemessen aufeinander abgestimmt werden. Aber perfekt – nein das kann weder ein Redner noch eine Rede sein.

Warum schreibe ich über Perfektion?

Zamyat Klein beschäftigte sich mit folgender Frage: Perfektionismus- nur eine Macke von Steve Jobs?

Nehmen wir Perfektionismus – gibt es diesen Begriff überhaupt – als eine Macke, eine Tugend oder eine Einschränkung wahr? Perfektion ist für mich ein Gebilde, was sich als Konzept darstellt. Ich empfinde es ungemein schwer hier eine Definition festzulegen und zu sagen, ja ich strebe nach Perfektion, weil a, b, c und d damit erfüllt werden. Perfektion ist, denke ich ein Zustand, der von jedem Individuum anders wahrgenommen wird. Daher gibt es für mich den die „Perfektion“. Es gibt jedoch die angemessene Situation, das angemessene Verhalten und ja den angemessenen Redner und Rednerin mit einer angemessenen Rede für das richtige Publikum.

Perfektion in Rede und Schreibe setzen andere Maßstäbe.

Ich bin Rhetorkerin – ich bin Rednerin. Ich bin jedoch nicht perfekt. Was mir hingegen sehr schwer fällt, das perfekte Schreiben.

Ncah enier Sduite enier Elingshcen Unvirestiät ist es eagl, in wlehcer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen. Das eniizg wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Der Rset knan ttolaer Bölsdinn sien, und man knan es torztedm onhe Porbelme lseen. Das ghet dseahlb, wiel wir nchit Bcuhtsbae für Bcuhtsbae enizlen lseen, snodren Wröetr als Gnaezs.(Quelle)

Sehr viele Menschen dem zustimmen. Wenn ich in meinem Schreiben jedoch den einen oder anderen Tipp-Fehler hinterlasse, kommen unter Garantie eine oder zwei Kommentare dazu. Weniger zum Inhalt aber bestimmt zum vergessenen „e“ oder dem verlorenen Kommata. Dieser Umstand hat mich eine ganze Zeit davon abgehalten all die Texte zu schreiben, die in meinem Kopf wohnen. Vielmehr habe ich mich von davon ablenken und einschüchtern lassen, dass meine Schreibe nicht so gut wie meine Rede ist.

Mit diesem Perfektionswahnsinn ist ab heute Schluss

Der Artikel von Zamyat Klein hat mich tief bewegt und mich sehr stark zum Nachdenken angeregt. Ist es mir wichtig, dass ein Text von mir in den Augen anderer perfekt ist? Oder ist es angemessen, wenn sich ein oder zwei kleine Rechtschreibfehler in meinen Texten zuhause fühlen?

Ich habe mich für letzteres entschieden. Es gibt einfach zu viel, was mir wichtig ist, was ich mit anderen teilen werde. Das Bloggen ist in unserer Zeit das Medium dafür – vielleicht werden es bald vermehrt Videobotschaften sein – dann bin ich dort vielleicht eher zu finden. Das gesprochene Wort ist meine Heimat und das geschriebene wird immer ein Trainingsplatz bleiben.

Daher sage ich Perfektion ade und Angemessenheit willkommen auf das du bleibst.

Frage an meine Leserinnen und Leser

Wie steht bei Ihnen Perfektion? Ist es Ihnen wichtig in der Rede oder der Schreibe – ich meine natürlich dem Schreiben von Texten? Ich meine natürlich dem Schreiben von Texten! (Mir fehlt die Kontrolle beim Schreiben im Browser – son Mist)


p.s.: Dieser Text ist gar nicht perfekt, denn ich habe kein Mindmap zur Erstellung genutzt, keine Nacht drüber geschlafen und ein Artikelbild und Bilder zur Illustration fehlen auch. Ist er vielleicht dennoch unter Umständen angemessen?

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Rednermacherin - Judith Torma


Judith Torma blogt seit 2007 hier auf dem Rhetorikblog. Als Tübinger Rhetorikerin unterrichtet sie seit 2003 Jahren Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen. Hier auf dem Blog verschenkt Sie Rhetoriktipps und freut sich über den Dialog mit Ihren Lesern & Hörern.

Your Signature

  1. Danke liebe Judith, dass du dieses Thema so ausführlich aufgegriffen hast. Denn auch mich beschäftigt dieses Thema weiter, seit ich den Blogbeitrag schrieb.
    Und deine Beispiele erweitern das Thema noch einmal.

    Für mich – merke ich beim Lesen – macht es wohl schon mal einen großen Unterschied, ob ich schreibe oder rede. Wobei ich keine „Reden“ halte im Sinne von öffentlichen Vorträgen, sondern ich gebe öffentliche Workshops auf Kongressen und ansonsten mache ich meine Trainings und Seminare. Und da habe ich nie den Anspruch, eine perfekt geschliffene Rede zu halten. Die sind mir oft auch eh zu glatt und einstudiert. Da darf ich ein normaler Mensch sein, der sich auch schon mal verspricht, nach einem Wort sucht oder sich verhuddelt- und dann drüber lacht. Öffentlich.

    Beim Schreiben merke ich, dass ich da doch auch eher dazu neige, ganz perfekt sein zu wollen. Zumindest, was Rechtschreibung und Vertipper angeht. Obwohl ich weiß, dass ich das nicht immer verhindern kann. Ich schreibe auch oft schnell und spontan- sonst geht die Idee oder die Energie flöten. Und ich selbst stolpere auch darüber, wenn ich bei anderen Tippfehler finde.

    Weil es bei mir dann direkt den Eindruck hinterlässt (und ich weiß, dass das eine blöde „Bewertung“ ist), da hat jemand schnell was hingeschludert.

    Trotzdem passiert es mir natürlich auch. In einem Blogbeitrag finde ich es schon unangenehm (und kann es zum Glück korrigieren), bei meinem Newsletter ist es mir hochpeinlich. Da reicht es schon, dass die verschiedenen E-Mail Programme mein Format ganz unterschiedlich darstellen. Was mich sehr aufregt.

    Also, am liebsten hier also: fehlerfrei! Ob das dann damit perfekt ist, ist eine andere Frage 🙂

    Und süß, dass du am Ende es noch einmal demonstriert hast (mit Absicht?) :-). Zitat:“ich meine Natürlich dem Schreben von Texten?“
    „ich meine Natürlich dem Schreben von Texten?“

    Ein neues Wort, eine Mischung von Streben und Schreiben – sehr nett 🙂

    Wenn ich dann dieses Perfektionismus-Teufelchen mal beiseite schiebe, würde ich immer sagen:

    Lieber einen inhaltlich interessanten schwungvollen Blogbeitrag veröffentlichen, auch wenn er vielleicht einen Tippfehler enthält, als keinen zu veröffentlichen, aus Angst nichts perfektes zu liefern!

  2. Liebe Zamyat,
    da unterscheiden wir uns nun doch sehr stark. Für mich ist die freie Rede in Workshops, Seminaren und öffentlichen Vorträge das selbe Kaliber. Mein Anspruch an Angemessenheit ist in diesen Fällen sehr hoch. Dennoch darf ich nach einem Wort suchen oder Gefühlseinblendungen ausleben – das macht die perfekte Rede aus.

    Beim Schreiben habe ich dann einen anderen Anspruch. Der Tippfehler, den du hier so liebevoll hervorhebst, nein, der war weder Kalkül noch Strategie sondern einfach dem Fakt geschuldet – ich habe nicht drüber gelesen, habe mich auf meine Schreibe aus der Vorbereitung verlassen und zwei drei Sätze hinzugefügt. Es lebe das Internet und der Internetbrowser.

    Die Diskussion um Perfektion ist eine sehr vielschichtige – ich bin gespannt ob weitere Wortmeldungen zu lesen sein werden!

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